Führung ist nicht nur Sache von Chefetagen oder Abteilungsleitungen, jeder führt im Unternehmen. Führt Unterhaltungen, Austausch mit anderen, führt sich selbst. Die Frage ist nicht ob, sondern wie gut oder schlecht.
Es ist wie auf dem Fußballplatz während eines Spiels. Wenn ich die anderen nicht gut führe, dann wissen sie nicht, was ich vorhabe und die Abstimmung ist schlecht. Wenn ich mich nicht gut führen lasse und Ratschläge oder Kommandos von anderen ignoriere, wirkt sich das negativ auf die Zusammenarbeit aus. Wenn ich mich selbst nicht gut führe, dann kann es schnell sein, dass ich nach einem groben Foul mit rot vom Platz fliege.
Wenn jeder führt, dann ist auch jeder ein Leader.
Wie wichtig es ist, dass jeder in Führung geht, zeigt das Beispiel des U-Boot-Kapitäns David Marquet. Dieser war kurzfristig auf die Santa Fe ;berufen worden, ein Bootstyp, den er kaum kannte. Normalerweise kennt ein Kapitän jede Schraube auf dem Schiff, das er befehligt. Nicht so Marquet auf der Santa Fe. “Ich war plötzlich in einer Situation, in der mein gesamtes Training auf einen Schlag nutzlos war”, sagt er. Was für Folgen das hatte, wird schnell deutlich: Er ordnete an, dass ein bestimmter Gang eingelegt werden sollte, über den die Santa Fe aber gar nicht verfügte. Der Befehl wurde brav weitergeben, aber niemand teilte ihm, dass die Ausführung des Befehls unmöglich ist. Der Steuermann blieb einfach regungslos sitzen.
Er merkte: In einem Atom-U-Boot, das er kaum kannte und mit solch blinden Befehls-Befolgern, waren sie alle in höchster Gefahr. Er krempelte die Führungskultur um, so dass JEDER Verantwortung für seine Aufgaben übernahm, und innerhalb kürzester Zeit wurde die Santa Fe eines der am besten bewerteten Schiffe in der Flotte der Navy.
Was das mit Unternehmen zu tun hat? Dieses Beispiel lässt sich natürlich nicht eins zu eins übertragen. Aber es verdeutlicht, dass wir auf die Fähigkeiten unserer Mitarbeiter ;und Mitarbeiterinnen vertrauen und diese selbst in Führung gehen müssen, wenn wir in einer komplexen Umgebung erfolgreich arbeiten wollen.
Welche Fähigkeiten braucht ein Leader?
Nicht alle Stärken definieren eine außergewöhnliche Führungskraft, einige Kompetenzen sind kritischer als andere. In einer Umfrage von Zenger/Folkman unter mehr als 20.000 Führungskräften mit mehr als 2.000 Kompetenzen wurde deutlich, dass bestimmte Kompetenzen in Bezug auf die Effektivität einer Führungskraft wichtiger sind als andere (Zenger & Folkman, 2020). Insbesondere folgende 19 Kompetenzen trennten die besten 10 % der Führungskräfte von den unteren 10 %:

Neben diesen Kompetenzen macht gute Leader aber eines aus: Sie haben ein ausgezeichnetes Verständnis ihrer Stärken und Schwächen. Im Coaching mit Führungskräften versuchen wir daher, die Stärken zu stärken und eklatante Schwächen bewusst zu machen.
Stärken und Schwächen erkennen mit Peer-2-Peer-Feedback
Um sich dieser Stärken und Schwächen bewusst zu werden, gibt es eine effektive Methode, die die Unterstützung durch Einzel-Coaching über formelle Bewertungsbögen hinaus erweitert Peer-2-Peer-Feedback. Der Feedbacknehmer fragt hierbei zwei bis vier Mitarbeiter nach seinen drei Führungsstärken und einer Schwäche. Die Mitarbeiter schreiben diese auf und tauschen sich danach in einem Gespräch zehn Minuten darüber aus. Der Feedbacknehmer darf nichts fragen, sondern hört nur zu.
Die Resultate sind häufig für die Teilnehmenden sehr überraschend. In Workshops habe ich immer wieder die Situation, dass die Feedbacknehmer ihre Stärken komplett falsch eingeschätzt, aber auch die Feedbackgeber unterschiedliche Auffassungen haben. Im Gespräch bekommen so alle Beteiligten wertvolle Erkenntnisse.
Leadership für alle: Anwendung in der Praxis
Mit einem Unternehmen habe ich diese Übung mit allen Mitarbeitern gemacht die Ergebnisse wurden unternehmensintern im Nachgang veröffentlicht. So hatte jeder Mitarbeiter nicht nur ein klares Verständnis über die Aufgaben, Werte etc., sondern wusste auch über die Stärken und Schwächen von allen Mitarbeitern Bescheid. Diese Transparenz sorgt für erhöhtes Vertrauen untereinander und eine verbesserte Zusammenarbeit.
Außerdem haben die Mitarbeiter für sich Entwicklungspotenziale abgeleitet und persönliche Entwicklungspläne erstellt. Wichtig hierbei: Effektive Führung korreliert direkt mit der Anzahl der Stärken einer Person. Auch darum gilt es diese bewusst zu stärken und sich nicht nur auf Defizite zu konzentrieren. Der Management-Guru Peter Drucker betonte dies bereits und beklagte den seltsamen Vorgang, dass Unternehmen Menschen aufgrund ihrer Fähigkeiten einstellen, aber dann umgehend ihre Schwächen feststellen und von ihnen erwarten, diese zu beheben. Der Fokus auf die Stärken hingegen ist nicht nur viel effektiver, er macht auch viel mehr Spaß.
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Titelbild: Jehyun Sung/Unsplash