Auch wenn wir im Zuge der Digitalisierung meist zuerst an Automatisierung denken, gibt es immer noch eine Menge Dinge, die nur von Menschen erledigt werden können. Eine optimale Unterstützung der Nutzer*innen von Prozessanwendungen ist, neben der Automatisierung, darum der wichtigste Baustein der Digitalisierung von Geschäftsprozessen. Die erste Frage, die sich dabei aus Anwendersicht stellt: „Wo und wie finde ich meine Arbeit?“
DNA einer Prozessanwendung
Im Kontext von Prozessen haben wir es in der Regel mit aufgabenorientierter Arbeit zu tun, die durchaus sehr kleinteilig sein kann. Wenn die Suche nach den nächsten wichtigen Aufgaben die Energie von Mitarbeiter*innen bindet, kostet das Zeit und Geld. Um die Anwender*innen also bestmöglich zu unterstützen und die Prozesse effizient zu gestalten, sollte eine Prozessanwendung – oder besser: eine Plattform, auf der sich unterschiedlichste Arten von Prozessen abbilden lassen – gewisse Anforderungen erfüllen. Dies ist sozusagen die DNA einer Prozessanwendung:
- Den Anwender*innen werden alle für sie geeigneten Aufgaben an einer zentralen Stelle angeboten
(nicht: die Anwender*innen suchen ihre Aufgaben in verschiedenen Systemen) - Die Anwendung präsentiert die Aufgaben sortiert nach Dringlichkeit und Wichtigkeit
(nicht: die Anwender*innen müssen sich selbst überlegen, was aktuell am wichtigsten ist) - Dem Anwender werden alle relevanten Informationen in Verbindung mit der jeweiligen Aufgabe in einer Oberfläche angeboten
(nicht: die Anwender*innen suchen sich die benötigten Informationen zusammen) - Übergänge zum nächsten Bearbeiter regelt das System
(nicht: die Anwender*innen geben die Arbeit weiter)
Prozessanwendungen: Statik und Dynamik
Das Werkzeug für aufgabenorientiertes Arbeiten ist altbekannt: eine Aufgabenliste, die Benutzern bzw. Benutzergruppen ihre individuellen Aufgaben gut sortiert zur Bearbeitung präsentiert. Doch das ist nur die eine Seite der Medaille. Aufgaben entspringen der Dynamik eines Prozesses. Sie werden bearbeitet, abgeschlossen, weitergeleitet oder delegiert. Manchmal eskalieren sie sogar, oder sind plötzlich hinfällig.
Auf der anderen Seite steht das Fachobjekt auf dem der Prozess operiert. Es ist quasi das Werkstück, das durch den Prozess bzw. dessen Aufgaben bearbeitet wird. Es existiert autark, auch wenn der Prozess ruht oder längst beendet ist. Zum Beispiel: Eine Bestellung ist natürlich ein Prozess, der Bestellprozess. Eine Bestellung ist aber auch die Menge aller Daten der Bestellung, ein Datenobjekt, das Fachobjekt zum Prozess. Protokolliert man nun noch fachlich relevante Bearbeitungsschritte des Prozesses und speichert diese am Fachobjekt, erhält man eine Bearbeitungshistorie, einen Audit Trail. Zusammen mit einem Status gibt das Fachobjekt so jederzeit Auskunft über den aktuellen Stand der Dinge. Insgesamt bezeichnen wir dies oft als Vorgang oder die Vorgangsdaten.

Prozessanwendungen: Navigation benutzerfreundlich gestalten
Um dieses Modell für die Anwender*innen nutzbar und zugänglich zu machen, brauchen wir mehr als nur eine Aufgabenliste und Formulare bzw. Anwendungen zum Bearbeiten der jeweiligen Aufgaben. Die Benutzer*innen müssen auch unabhängig vom Prozessverlauf und konkreten Aufgaben schnell an Vorgangsdaten kommen können, z. B. wenn sich ein Kunde meldet und nach dem Verbleib seiner Bestellung fragt. Wir brauchen also eine Suche nach Fachobjekten, ggf. kombiniert mit Filtermöglichkeiten z.B. nach Typ, Datum oder Status eines Fachobjekts.
Für eine erhöhte Nutzerfreundlichkeit müssen wir nun noch die Dynamik mit der Statik bidirektional verbinden, so dass die Benutzer*innen auch direkt aus der Bearbeitung einer Aufgabe zur Detailansicht des zugrundeliegenden Fachobjekts gelangen (wenn sie weitere Informationen zum Vorgang und dessen Verlauf benötigen). Umgekehrt sollte in den Details des Fachobjekts nicht nur die bisherige Bearbeitungshistorie, sondern auch mögliche aktuelle Aufgaben angezeigt werden. Ob diese dann direkt bearbeitet werden können, hängt von der jeweiligen Rolle und den Rechten der Benutzer*innen ab, die den Vorgang gerade betrachten.

Dieses grundlegende Schema ist fast allen Prozessanwendungen gemeinsam. Die konkrete Ausgestaltung der Benutzungsoberflächen und die einzelnen Features, v.a. im Bereich des operativen Task-Managements, können individuell sehr vielfältig sein. Eine Herausforderung taucht aber immer auf: Wie baut man solche Prozessanwendungen bzw. -plattformen wirklich performant? Diese Frage stellt sich insbesondere, wenn in verteilten Umgebungen Aufgaben und Daten aus verschiedenen Systemen zusammengebracht werden müssen. Um diese Anforderungen leichter zu bewältigen, haben wir eine Open Source Komponenten-Bibliothek aufgebaut: Polyflow. Mehr Informationen dazu gibt es in diesem Blogbeitrag.