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Kanban Flight Levels beim Kunden

Heute hatte ich ein interessantes Gespräch mit einem anderen Agilisten über dessen Auftraggeber. Er erzählte mir, dass man dort sehr agil arbeitet und schon sehr viel richtig macht. Dennoch sei aber das aktuelle Projekt nach reichlich verbrauchtem Budget gefühlt noch wesentlich weniger weit, als es eigentlich sein sollte. Woran liegt das?

Auch ich habe dieses Problem schon öfter beobachtet. Eigentlich ist man doch total agil, aber dennoch bekommt man gefühlt viel weniger auf die Straße, als man eigentlich geplant hat. Ich kenne den Kontext des konkreten Auftraggebers nicht, aber mir kamen direkt diverse Dinge in den Kopf. Als absoluter Kanban-Liebhaber musste ich zuerst an Flight-Level und Klaus Leopold denken, dessen Schulung zu Enterprise Kanban ich dank Holisticon Ende April besuchen durfte (zu Flight Levels: https://www.leanability.com/de/blog-de/2017/04/flight-levels-die-verbesserungsebenen-der-organisation/). Der Slogan „we are so funking AGILE!“ wurde da immer wieder gebracht, wenn eine Organisation die Entwicklungsabteilung agilisiert hat, dabei aber komplett den gesamten Rest des Value Streams, also der Wertschöpfungskette, außer Acht gelassen hat. Dadurch gibt es einen quasi endlosen und oft unregulierten und eventuell auch undurchdachten Zufluss von Arbeit aus den unterschiedlichsten Initiativen und Richtungen, die das Gesamt-System unter Umständen extrem verlangsamen. Man hat keinen wirklichen Überblick über Dinge wie z.B. den Anteil der Maintenance der technischen Systeme gegenüber der alltäglichen Arbeit der Teams im Verhältnis zu strategischen Themen und schon gar nicht über die Menge der im Haus existenten Initiativen. Meist kommt der zuerst dran, der am lautesten schreit. Oft werden als Folge die Entwicklungsteams zu „high performance teams“ optimiert. Lokal. In der Regel existieren nur selten noch ergänzend koordinierende Kanban-Systeme auf Flight Level 2. Dabei bringt ein solches Board in punkto Sichtbarmachen von Abhängigkeiten sehr viel, wodurch Einsparungspotentiale schnell identifizierbar geworden wären. Noch seltener gibt es dann Portfolio-Kanban-Systeme auf Flight Level 3. Allerdings kann man auf der Ebene sehr gut Transparenz über die Anzahl der gestarteten Initiativen einer Abteilung oder einer Firma erhalten und auch Kapazitäten festlegen. Diese bestimmen bei den Teams, wie hoch der Anteil an beispielsweise strategischer Arbeit im Verhältnis zu anderen Tätigkeiten sein darf oder soll. Außerdem erhält man einen sehr guten Überblick darüber, an wie vielen Dingen eigentlich gleichzeitig gearbeitet wird und ob man tatsächlich gerade an den wichtigsten Initiativen arbeitet. Bei Einführung eines solchen Systems gerät man regelmäßig ins Staunen, wie viele Projekte man gerade versucht, gleichzeitig durch ein Nadelöhr zu fädeln und dann wundert man sich auch weniger, warum alles so langsam ist.

Interessiert hätte mich bei dem Auftraggeber auch, wie viele Teams auf ihrer Ebene Kanban machen, also auf Flight Level 1. Die hätten vielleicht auch Daten über die prozentuale Verteilung ihrer Arbeit auf verschiedene Services oder Ticket-Klassen und wüssten, welche Services wieviel Zeit ihres Tages verschlingen. Kanban ist einfach ein sehr gutes Mittel, um Kapazitäten-Fresser schnell ausfindig zu machen.

Aber hätte Kanban tatsächlich das Problem des Auftraggebers von meinem Gesprächspartner gelöst? Oder stimmte da wie bei Loriot einfach etwas mit deren Gefühl nicht und passende Messungen hätten ein ganz anderes Bild gezeichnet? Vielleicht finde ich das ja noch raus – oder hoffentlich zumindest der ratlose Agilist! ?

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Über den Autor

Seit 2013 unterstütze ich statt mit klassischem Projektmanagement nun mit Kanban, Scrum, Liberating Structures und Coaching Teams und Organisationen bei der agilen Transition. Dabei liegt mir ganz besonders Kanban am Herzen mit dem Fokus auf kontinuierlicher Verbesserung und einer Betrachtung der gesamten Wertschöpfungskette unter agilen Gesichtspunkten. Gerne mit Kanban-Systemen auf verschiedenen Ebenen bzw. Flight Levels.

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