Das Thema
Es gibt sie überall, die „Guten“, die Menschen, die das System in- und auswendig kennen, die, die bei jedem Problem noch eine Idee haben, die, die man fragt, wenn man bei einer Entscheidung ganz sicher sein möchte. Es sind die, die man unbedingt in jedem Team braucht und von denen es irgendwie immer nur ein paar gibt.
Deswegen packen wir diese „Guten“ bei jedem Projekt mit ins Team, auch wenn es nur für 30% ist, auch wenn es die vierten oder fünften 30% sind. Die anderen Projekte sind ja schon fast vorbei und dann passt es ja wieder. Und weil es die „Guten“ sind, geben sie auch alles, versuchen ihre Kollegen nicht hängen zu lassen und springen von einem Projekt zum anderen, von einer Aufgabe zu anderen.
Allerdings: Multitasking ist der Produktivitätskiller schlechthin. Das gilt nicht nur für den einzelnen Mitarbeiter, sondern auch für Teams als Ganzes. Es gibt gleich mehrere Effekte, die dabei zum Tragen kommen und miteinander wechselwirken:
Effekt 1: Zeitdehnung
Als Menschen sind wir immer nur in der Lage, uns auf eine Aktivität zur Zeit zu konzentrieren. D.h. wir betreiben eigentlich kein Multitasking, bei dem ungenutzte Ressourcen einer anderen Aufgabe zur Verfügung stehen, sondern wir wechseln einfach zwischen den unterschiedlichen Aufgaben hin und her.
Das Ergebnis ist dabei das Folgende:
Statt nach der Hälfte der Zeit eine Aufgabe fertig zu haben und nach der anderen Hälfte die zweite, dauert es fast bis zum Ende der Gesamtzeit, bis eine Aufgabe abgeschlossen werden kann. Multitasking führt also zu einer Verlängerung der Bearbeitungsdauer und damit auch im Mittel zu einer späteren Lieferung.
Effekt 2: Wechselaufwand & Stresslevel
Um in eine Aufgabe „rein zu kommen“, braucht der Mensch Zeit. Je komplexer die Aufgabe, umso mehr Zeit. Unsere besten Leuten arbeiten nur an den schwierigsten Aufgaben, also können wir davon ausgehen, dass dieser Anteil nicht unerheblich ist.
Diese Zeit muss bei jedem Aufgabenwechsel erneut aufgebracht werden und nicht nur diese. Multitasker können nicht einfach ihre anderen Aufgaben ausblenden, das frisst Konzentration, kostet Zeit, führt zu Fehlern und erzeugt Stress.
Jeder Aufgabenwechsel führt also zu einer signifikanten Erhöhung des Bearbeitungsaufwands und erhöht die Fehlerrate. Das heißt, man sollte sich sehr genau überlegen, ob der vermeintliche Gewinn an Ressourcenauslastung oder Reaktionsfähigkeit tatsächlich diese Kosten rechtfertigt.
Dass die obige Skizze stimmt, beweisen wir übrigens regelmäßig in Workshops und Trainings mit einer kleinen Übung. Die typische Gesamtverzögerung (blauer Pfeil) liegt dabei im Bereich des zwei- bis fünffachen der erwarteten Zeit, die wir vor der Übung bei den Teilnehmern erfragen.
Effekt 3: Koordination & Ansteckungsgefahr
Das Ziel von Projektarbeit ist, komplexe Probleme im Team zu bewältigen. Stecken einzelne Teammitglieder in mehreren Teams gleichzeitig, werden Koordination und Abstimmung allerdings in kürzester Zeit sehr komplex. Dazu kommt: hat jetzt ein Projekt ein Problem und braucht deswegen sein Teilzeit-Teammitglied über das vereinbarte Maß hinaus, steckt es die anderen Projekte an. Im nächsten Projekt fehlt es in der Folge auch an Kapazität, die kompensiert werden muss und so geht es in einer Kettenreaktion munter weiter. Aufgrund eines Problems in einem Projekt stockt auf einmal die Arbeit in allen Projekten und im Versuch, das zu managen, werden noch weitere Ressourcen gebunden.
Tipps & Tricks
Multitasking ist keine Kunst, sondern Ausdruck der Unfähigkeit, sich zu organisieren. In diesem Sinne sollen die folgenden Tipps & Tricks dabei helfen, sich leichter dabei zu tun, das Multitasking bleiben zu lassen.
- Bilden Sie Mitarbeiter breiter aus – Multitasking entsteht häufig dadurch, dass Wissen und Fähigkeiten ungleich und nicht den Bedürfnissen des Projekts entsprechend verteilt sind. Investieren Sie in Ausbildung und bessere Wissensverteilung innerhalb des Teams. Die Hürde im Kopf ist häufig größer als die tatsächliche Schwierigkeit, sich in ein Thema neu einzuarbeiten. Teams, die weitgehend autonom arbeiten können, sind um Längen produktiver, selbst wenn sie die eine oder andere Aufgabe mal nicht so perfekt erledigt kriegen.
- Setzen Sie Prioritäten – konzentrieren Sie sich auf eine Aufgabe und erledigen Sie diese, bevor Sie mit der nächsten anfangen. Das Runterbrechen in kleinere fokussierte Aufgaben hilft, das tatsächlich durchzuziehen. Dabei richtet eine „falsch“ gesetzte Priorität im Regelfall weniger Schaden an als das Multitasking.
- Sagen sie „Nein“, wenn Ihre Kapazitäten aufgebraucht sind – priorisieren Sie nicht nur bei der Abarbeitung von Aufgaben, sondern auch bereits bei der Annahme und zwar gemeinsam mit dem Auftraggeber. Wenn Ihre Kapazitäten aufgebraucht sind, können Sie neue Aufgaben nur annehmen, wenn sie dafür alte fallenlassen. Die Verantwortung dafür, das im Gesamtkontext auszuhandeln und zu entscheiden, sollte im Regelfall nicht bei Ihnen liegen, sondern bei Ihren Auftraggebern.
Einer der „Tricks“ agiler Methoden ist, dass sie alles dafür tun, Multitasking durch gut organisierte operative Prozesse zu ersetzen – ein Product Backlog ist immer eindeutig sortiert und die einzige Quelle von Aufträgen an das Team, um sicherzustellen, dass Prioritäten für alle Beteiligten sichtbar und greifbar sind. Der Inhalt von Iterationen ist geschützt, damit Teams eine Chance haben, begonnene Aufgaben tatsächlich fokussiert abzuschließen, bevor sie sich neuen zuwenden. Das Runterbrechen der Arbeit in Iterationshäppchen sorgt dafür, dass man bewusst prüft, an welchen Stellen Arbeiten unterbrochen werden können, bei gleichzeitig angemessenen Kosten für den Kontextwechsel.