Wie mein Kollege Oliver Ochs im Beitrag zum ersten Konferenz-Tag erwähnt hat, waren wir gemeinsam auf der MobileTech Conference 2012 in München und haben uns neuen Input rund um das Thema Mobile aus Sicht der Entwicklungs- und Marketingabteilungen abgeholt.
Den ganzen zweiten Tag lang besuchten wir den Business-Track. Darüber, ob das an dem beeindruckenden Vortrag von Herrn Konjovic über die Paid-mobile-Content-Strategie von Axel Springer am Vortag lag, lässt sich streiten.
„Es ist ja nur eine App“ – oder vielleicht doch nicht?
Der zweite Tag startete für uns mit einem Vortrag von Dr. Ralf Carbon vom Fraunhofer Institut. Neben einem Ausblick in die unterschiedlichen Arten von Apps (Consumer / Business) stellte er die Konzepte zweier vom Fraunhofer Institut betreuten Mobile-Projekte vor.
Beeindruckend war der Nutzen, der im Bereich der Landwirtschaft durch verschiedene Apps für John Deere erzielt werden konnte. So gibt es Apps für die Wartung und den Service der Maschinen, eine App für den Landwirt, der auf seinem iPad die Task-Planung vornimmt und eine für den Arbeiter auf dem Feld, der durch eine iPhone-App diese Tasks bekommt und bei der Umsetzung, durch Standortermittlung (bin ich auf dem richtigen Feld?) etc. unterstützt wird. Hier fällt auf, dass für jeden individuellen Anwendungsfall eine eigenständige App gebaut wurde, die nur auf den Nutzen des jeweiligen Anwenders reduziert ist. Ergo kommt es bei Apps stets auf den Kontext an.
Ebenfalls spannend war der Exkurs zu Lufthansa Systems. Hier wurde eine App realisiert, die Piloten das Leben dahingehend erleichtert, dass sie ihre Karten nicht mehr in riesigen Aktenordnern in ihren Pilotenkoffern hinter sich herziehen und bei jeder Änderung neu in ihre Ordner einpflegen müssen. Eine App verwaltet dieses Kartenmaterial automatisch, stellt es dar und übernimmt auch die Aktualisierung des Kartenmaterials bei Änderungen.
Neben der Vorstellung der beiden realisierten Projekte wurde der Prozess namens „mConcAppt“, den das Fraunhofer Institut für die App-Entwicklung erstellt hat (und selbstverständlich auch jedem vorschlägt), vorgestellt.
Er soll helfen, eine Antwort auf die zentralen Fragen der App-Entwicklung zu finden.
- Welche Anforderungen habe ich an das Testen?
- Welche an die User Experience?
- Welche an das Variantenmanagement (Apps für spezifische Kontexte, verschiedene Plattformen)?
- Gibt es ein Mobilitätspotential für den Workflow, den Geschäftsprozess, die Aufgaben etc?
- Ist es die „richtige“ App für den Score?
- Ist das Backend für den mobilen Anwendungsfall geeignet?
Interessant ist hier das erwähnte Verhältnis von 80 zu 20, wenn es um den Arbeitsaufwand von Backend-Entwicklung und Frontend-Entwicklung geht. Dieses Verhältnis können wir nur bestätigen. - Welche Architektur ist die richtige für meine App (Nativ, Hybrid oder Web)?
- Welche Anforderung stelle ich an die Interaktion (UI, UX etc.)?
Der „mConcAppt“-Prozess beginnt dabei mit einem eintägigen Workshop zur Anforderungserfassung mit Kunde, Anwender, Fachabteilung etc., um in den folgenden zwei bis drei Wochen ein komplettes Konzept für die App zu erarbeiten.
Sehr große Erfolge haben sie dabei mit einfachen Prototypen in Form von Bleistiftzeichnungen und Wireframetools wie Balsamiq erzielt.
Klingt für uns alles sehr stark nach Wasserfall, auch wenn Herr Dr. Carbon erwähnte, dass es mehrere Zyklen in den einzelnen Schritten von „mConcAppt“ gibt. Interessant wäre, wie sich das Ganze mit agilen Methoden in Einklang bringen ließe.
Die Mobile-Plattform der Zukunft: Facebook
Martin Szugat gab uns einen Einblick die App-Welt von Facebook und nannte dabei viele interessante Fakten zu Facebook.
- In den USA verbringen die Leute 16% ihrer Online-Zeit auf Facebook
- 57% der Smartphone User sind bei Facebook
- 47% der Zeit verbringen die Amerikaner mit Spiele- und 32% mit Soziale-Netzwerke-Apps
- Als Nutzer zählt Facebook nur Nutzer, die innerhalb der letzten drei Tage online waren
- 7.000.000 Webseiten sind mit Facebook verbunden
- Jeden Tag kommen 10.000 hinzu
- 20 Millionen Facebook-Apps werden pro Tag installiert
All diese Fakten unterstreichen, dass über Facebook sehr viele Menschen erreicht werden können und dass Facebook sehr tief im Web „verankert“ ist.
Ebenfalls erklärte er das neue Marketing-Buzzword „SoLoMo“. Die Leute wollen sich vernetzen (Social), wollen zeigen, wo sie sind bzw. sagen, was um sie herum los ist (Local) und wollen das auch noch alles mobil machen (Mobile). Als Beispiele, die „SoLoMo“ sehr gut umsetzen, nannte er Glancee und Badoo. Einen Dienst, der eine „neue Ebene“ in Facebook einführt, indem er Leute mit gleichen Interessen zusammenführt und eine etwas andere Dating-Plattform. Gemeinsam haben beide, dass sie in Verbindung mit Facebook extrem geringe Customer Acquisition Costs haben.
Nach einem Exkurs ins Marketing wurden die Technik von Facebook Apps und die Zukunft von Facebook thematisiert.
Facebook Apps könnnen bei Facebook einfach via iFrame eingebunden werden, d.h., der App-Anbieter muss sich selbst um das Hosting etc. kümmern. Jeder Nutzer muss die Daten, die eine App nutzen darf, explizit freigeben, es macht also den Eindruck, als ob ordentlich mit den Daten umgegangen wird.
Werden Apps für mobile Endgeräte erstellt, so können diese via HTML5 oder Nativ realisiert werden. Als Vorteil von HTML5 wurde erwähnt, dass eine APP nur einmal geschrieben werden muss und so für Desktop und für Mobile eingesetzt werden kann. Vorteilhaft ist auch, dass der Nutzer seine Daten nur einmal freigeben muss.
Interessant ist, dass Facebook die Anforderung „Social by Design“ an Apps stellt, es Kampagnen-Apps somit schwer haben.
Am Ende gab Herr Szugat noch einen Ausblick in zukünftige, neue Features von Facebook. Da wären der Open Graph, welcher den App Entwicklern ermöglicht, einen Nutzer mit einer Aktion zu einem Objekt in Beziehung zu setzen (z.B. Frau Wunderlich hört Little Dragon), da ein „Like“ nicht mehr aussagekräftig genug für gezielte Marketingaktionen ist. Auch auf die neue Online-Währung Credits, die Facebook etablieren möchte, wurde eingegangen. Auch hier ist interessant, dass, wann immer bei Facebook gezahlt werden soll, auch diese Credits als Zahlungsvariante angegeben werden müssen. Dabei verdient Facebook ganz nebenbei 30% mit.
Facebook stellt folglich eine echte Alternative zu App Stores bzw. zu einer eigenen mobilen Webseite dar, da viele Nutzer erreicht und auf mehreren Kanälen z.B. durch nur eine HTML5-App angesprochen werden können. Wenn Facebook Credits von den Nutzern angenommen wird, gibt es zusätzlich eine neue Internet-Währung.
Werbung auf mobilen Plattformen – mehr Relevanz für nachhaltig erfolgreiche Geschäftsmodelle
Herr Markus Breuer startete mit der Aussage „advertising sucks“ und variierte diese Aussage noch zu „too much advertising sucks“, „stupid advertising sucks“ und „irrelevant advertising sucks“.
Er ging auf eine Statistik ein, die wir auf der Konferenz schon mehrfach gesehen hatten: Ab 2014 werden mehr mobile Endgeräte als „klassische“ Rechner genutzt werden. Diese Zahl ist umso bedeutender, wenn man bedenkt, dass Apps und mobile Webseiten derzeit nahezu werbefrei sind. „Mobile – It’s a wonderful world?“ Wir als Nutzer würden selbstverständlich sagen: ja, aber „kostenfreier“ Content wird in der Regel durch Werbung finanziert. Die schöne neue Welt wird folglich leider nicht so bleiben.
Nach einem Exkurs, dass sich mit Android schwerer Geld verdienen lässt als mit iOS (3% Paid Apps vs. 17%), stellte er das Werbekonzept vor, das nugg.ad anbietet.
Um das „sucks“ in „advertising sucks“ zu entkräften, müsse Werbung effektiv gemacht werden. Dies soll durch Targeting erreicht werden. Das Verhalten des Nutzers wird durch Cookies und andere Technologien, „die jeder Entwickler kennt“, beobachtet und analysiert; ab und zu werden Nutzer zusätzlich durch Umfragen um weitere Informationen gebeten. Ziel ist es, dem Nutzer Werbung zu zeigen, die zu Ihm passt bzw. die die Marketingabteilungen als zur Zielgruppe passend definieren.
Neue Herausforderungen zum Thema Mobil sind jetzt natürlich, wie dieses Beobachten des Nutzers auf mobilen Endgeräten geschehen kann. Konkrete Lösungsansätze wurde aber leider noch nicht vorgestellt. Es bleibt spannend.
UX-Webdesign für Tablets. Eine Anleitung
Christian Kuhn legte den Teilnehmern User Experience durch Unterstützung zahlreicher Werbevideos nahe. Nach der Viedeoshow gab er Hinweise auf Dokumente, Tools und Links, die helfen, um eine User Experience, die diesen Namen auch verdient, umzusetzen:
- Tablet-screendesign.info/ – eine Liste aller gängigen Tablets mit Auflösung, Betriebssystem etc.
- iMockups – eine Software, um Wireframes für Apps und Webseiten zu erstellen
- Die User Experience Design Guidelines von Windows Phone 7 und iOS
- Onswipe – ein Tool zur Realisierung der Tablet-Unterstützung von Webinhalten
- Loadtimer – für das Testen der Ladezeiten auf mobilen Endgeräten
- Aside – ein in HTML5 umgesetztes Magazin als gelungenes Beispiel
Für das Gelingen von User Experience in der Praxis gab es folgende Tipps:
- unterschiedliche mobile Betriebsysteme unterstützen unterschiedliche Anzahl an Gesten – es gibt dafür leider noch keinen Standard
- UX der Hardware, des Betriebsystems und der Webseite sind von Bedeutung
- Um Bereitstellung der Schriftart kümmern – einige mobile Betriebsysteme nehmen sonst eigene
- Informationen weglassen – Tablet first
- 1 cm Platz um Navigationselemente
- Responsive Design – evtl. jedoch nicht für mobile Version
- Einsatz Adaptive Images
- Minimalistisches & helles Design
Interactive TV – mit HTML5 auf den 2nd Screen
Andreas Lohmann gab uns einen Einblick in die Welt des interaktiven TVs. Neben den Anfängen von Interactive TV durch Text, Home Shopping und der Gameshow Hugo zeigte er uns, wohin die Reise geht. Zu 2nd Screens, die wir in Form von Smartphones oder Tablets in Zukunft nutzen können, um uns am Geschehen im TV zu beteiligen.
Fazit
Betrachte ich den zweiten Tag der Konferenz in Summe, nehme ich mit, dass es bei Apps stets auf den Kontext ankommt, das Thema Facebook Apps in Zukunft auch für uns spannend wird, „advertising sucks“, auf Tablets Content + Context = King gilt und beim interaktiven Fernsehen Context King ist.
Selbstverständlich bedanken wir uns bei den Sprechern, Ausstellern und Organisatoren für eine gelungene Konferenz.