Immer wieder werde ich auf unseren Firmennamen angesprochen. Der Begriff „holistisch“ ist leider von vielen Marketingabteilungen arg strapaziert, um nicht zu sagen: geschunden worden. Der deutschen Übersetzung „ganzheitlich“ erging es ähnlich. Wie also jemandem erklären, was wir unter ganzheitlicher Beratung verstehen? Am besten mit einem Beispiel.
Neulich habe ich bei einem unserer Kunden ein agiles Review eines Softwareentwicklungsprojekts durchgeführt. Der Kunde erwartete eine neutrale Bewertung des an Scrum angelehnten Vorgehensmodells. Tatsächlich handelte es sich um drei miteinander verzahnte Projekte. Ich begann mit meinen Interviews, nahm am Daily Scrum teil, hörte zu und stellte viele Fragen. Die agile Mechanik funktionierte in den Projekten recht gut, an der einen oder anderen Stelle empfahl ich den Einsatz neuer oder veränderter agiler Praktiken. Soweit alles in Ordnung.
Was wäre passiert, wenn ich mich auf meinen Auftrag (Review des Vorgehensmodells) beschränkt hätte? Mein positives Attest wäre vom Kunden freundlich aufgenommen worden, und die Projekte hätten so weiter gearbeitet wie bisher (vielleicht wären einige meiner Empfehlungen in die Tat umgesetzt worden). Meine ganzheitliche Sichtweise ließ mich aber bei einem Thema aufhorchen, das mit dem Vorgehensmodell nicht direkt etwas zu tun hatte. Wir sprachen über die fachlichen Inhalte der Projekte, deren Gemeinsamkeiten und Abgrenzung, und ich stellte die Frage, ob es eine gemeinsame Codebasis gäbe. Die gab es tatsächlich, aber sie wurde nicht bewusst gepflegt, weiterentwickelt und stabil gehalten. Mit anderen Worten: es gab kein Basisprodukt mit klar definierten Schnittstellen, das die Projekte nutzen konnten. Stattdessen verwendeten die Projekte diese Codebasis nach eigenem Ermessen. Aus Projektsicht durchaus nachvollziehbar – aus Produktsicht ein Problem, weil das Basisprodukt nach und nach verwässert wird. Genau diese Produktsicht fehlte dem Kunden. Als wir das erkannt hatten, beriefen wir spontan eine Sitzung ein, um gemeinsam eine neue Aufstellung der Teams zu entwickeln. Dabei gingen wir sorgsam vor, um einerseits den Erfolg der Projekte nicht zu gefährden, andererseits aber die Produktsicht so schnell wie möglich in den Köpfen zu verankern. Keine leichte Aufgabe – und nichts, was man als Ergebnis eines agilen Reviews erwarten kann. Aber so ist es eben: erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt – vor allem dann, wenn man holistisch unterwegs ist.