Nun ist es tatsächlich schon 10 Jahre her, dass sich die Koryphäen der agilen Welt zu einem beschaulichen Wochenende in Utah trafen, um über agile Methoden zu diskutieren. Das nachhaltigste Ergebnis dieses Wochenendes ist das agile Manifest.
Es waren Vertreter der Stilrichtungen XP, Scrum, Crystal, DSDM und einige mehr dabei, die heute schon keiner mehr kennt. Eindeutiger Gewinner des Rennens um die agile Weltherrschaft ist Scrum, das agile Rahmenwerk, das so leicht zu verstehen und doch so schwer umzusetzen ist – wenn man es richtig machen will!
Scrum hat einen Durchmarsch hingelegt, der seinesgleichen sucht. Die frühen Vögel – auch early adaptors genannt – haben grandiose Erfolge gefeiert, die sich schnell herumgesprochen haben. Die Folge davon war, dass sich nach und nach auch die breite Masse von den tollen agilen Ideen mitziehen ließ. Bestes Indiz dafür, dass Scrum endgültig den Mainstream erreicht hat, ist das inzwischen feststellbare Interesse der Banken und Versicherungen, die ja nun bekanntermaßen eher zu den konservativen Unternehmen gehören.
Ist Scrum damit Allgemeingut und wird überall erfolgreich angewendet? Wenn eine Methode von jedermann angewendet wird, treten leider zwei Effekte auf: das erste ist der Heimwerkereffekt, von dem neulich schon in diesem Blog die Rede war. Der zweite Effekt ist allerdings genauso gravierend: immer mehr Berater stürzen sich auf das Thema, das wie eine Goldgrube erscheint, schließlich will heutzutage jeder Scrum machen. Dass nicht alle diese Berater gleich gut qualifiziert sind, muss hier nicht betont werden: es kommt immer häufiger zum sogenannten „ScrumBut“, was bedeutet, dass nur Teile von Scrum verwendet werden. Oft sind es die bequemen Teile, die sich leicht in die bestehenden Abläufe einbauen lassen. Leider sind es aber oft die schmerzhaften Teile wie Transparenz, das Abgeben von Verantwortung und das ständige Hinterfragen des eigenen Vorgehens, die den echten Mehrwert für ein Projekt bringen. Falsche Implementierungen von Scrum führen zu suboptimalen Projekten, was sich mittelfristig negativ auf den Ruf von Scrum auswirken wird.
Nischenlösungen sind deshalb so toll, weil sie nur von Leuten benutzt werden, die wirklich dahinter stehen und mit vollem Einsatz dafür kämpfen, was fast schon ein Garant für den Erfolg ist. Sobald es Mode wird, etwas zu tun, verwässert der Kern und man versucht halbherzig an die Sache heranzugehen, was genauso sicher das Scheitern beschwört.
So gesehen hat man Scrum keinen Gefallen damit getan, Mainstream zu werden. Was schade ist, denn ich bin überzeugt davon, dass es für viele Situationen die beste Methode ist. Aber das Erwachsenwerden von Underdogs ist ja noch nie einfach gewesen…